Von Hirten, Auen und Vertrauen…

Der Psalm 23 ist ein Psalm des Vertrauens und ein Psalm voller schöner sommerlicher Bilder.
Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.
Er weidet mich auf einer grünen Aue….

Welch eine Fürsorge des Hirten!
Was für ein friedliches Bild und hoffentlich auch was für schöne Erinnerungen! Entsinnen Sie sich, auf einer grünen Wiese gelegen zu haben mit dem Blick zum blauen Himmel und den vorbeiziehenden Wolken, ihr Liebster, Ihre Liebste liegt vielleicht auch neben Ihnen auf der Wiese, herrliche Leichtigkeit, junges noch vor einem liegendes Leben? Spüren Sie noch die Ruhe und den Frieden dieses Momentes, als alles noch unbeschwert war?
Die weltberühmte Kinderbuchautorin Astrid Lindgren hat sich als Erwachsene noch solche unbeschwerte Kindheitserinnerungen aufbewahrt voller Idylle und schreibt: „Noch kann ich an Sommerabenden den Wiesenknarrer [die Wachtelkönigin] im Roggen hören und in den Frühlingsnächten das Rufen der Käuzchen im Eulenbaum, noch spüre ich, wie es ist, aus Schnee und beißender Kälte in einen warmen Kuhstall zu kommen, ich weiß, wie sich eine Kälberzunge auf den Hand anfühlt, wie Kaninchen riechen, wie es im Wagenschuppen duftet und wie es sich anhört, wenn die Milch in den Eimer zischt, und noch kann ich die winzigen Krallen frisch ausgeschlüpfter Küken auf der Hand spüren.“

Aber darin geschieht ja noch mehr, meint der Psalmbeter:

Er erquicket meine Seele.

Es geht nicht nur darum, satt zu werden, Schönes zu erleben, versorgt zu sein. Es geht Gott vor allem auch darum, dass wir spüren: Wir sind als ganze Menschen von ihm wahrgenommen und geliebt.

Das hebräische Wort für „Seele“ heißt ֶשׁפֶנ, „näfäsch“, und „näfäsch“ heißt nicht nur „Seele“, sondern auch wörtlich „Kehle“, also das Organ, durch das man atmet, womit man isst und trinkt, aber auch redet und singt. Dort fließt das Leben durch, darum kann es auch „Leben“ bedeuten. Meine Seele, das ist: mein innerstes Wollen und Fühlen, mein Dürsten, mein Sehnen, meine Lebendigkeit, mein Sprechen und Singen – meine „Kehle“.

Die Seele, das ist, wie die christlichen Mystiker des Mittelalters gerne sagten, auch der „Grund“ in einem, etwas ganz tief in uns Sitzendes, der Urgrund meiner Seele, der innerste Ort in einem Menschen, mein Personenzentrum, einfach auch: mein Gemüt. So zum Beispiel Johannes Tauler. Der schrieb: „Die Seele wird auch ‚Gemüt’ genannt; das ist ein köstlich Ding: in ihm sind alle Kräfte vereinigt, Vernunft, Wille, aber das Gemüt selbst steht über diesen, und es besitzt mehr als diese.“

In unserem Tiefsten, in unserem Seelengrund, in unserem Gemüt, da spüren wir am ehesten Gott, durch unser herzliches Vertrauen auf Gott, wenn es uns wohl ums Herz wird. Wir werden von ihm nicht vergessen und nicht im Stich ge-

lassen. Das ist wichtig für unsere „Seele“, für unsere „Gemütsverfassung“.
In unserem Gemüt sind wir mit Gott verbunden, mit unserem Wesen, mit dem Reden und Singen unserer „Kehle“ zu Gott hin, mit allem, was wir lebendig sind.
Das macht ein gutes, gelassenes, frohes, sommerliches Gemüt. Im Schweigen öffne ich meine Hände, werde hellhörig und weitsichtig, übe mich in Geduld, werde Stufe um Stufe gelöst von dem, was den Klang in meinem Leben gebrochen hat und mir die Sicht raubt. Meine Angst schmilzt, mein Herz wird weich, denn: Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.

Pfarrer Stefan Korn

Jahresbericht

Einmal im Jahr wird für die Kreissynode ein Bericht über das gemeindliche Leben vor Ort verfasst, ein sog. Jahresbericht. Die Kreissynode leitet den Kirchenkreis. Sie ist vergleichbar mit dem Parlament auf politischer Ebene. Ein Kirchenkreis ist der Zusammenschluss mehrerer evangelischer Kirchengemeinden in einer Region, in unserem Fall der Zusammenschluss von 15 Kirchengemeinden im Duisburger Raum. 

Die Jahresberichte der Kirchengemeinden über die wichtigsten Ereignisse, Entwicklungen und Aktivitäten haben zum Ziel, dass die Kirchengemeinden sich gegenseitig über das Gemeindeleben in den anderen Stadtteilen informieren können. Den Jahresbericht unserer Kirchengemeinde hat der Vorsitzende des Presbyteriums, Pfr. Martin Winterberg, verfasst.

Zeitenwende

Zwar sind wir erst am Ende des 3. Quartals des Jahres 2022 und noch manches wird bis zum Ende des Jahres passieren, aber doch wage ich zu prophezeien, dass das Wort „Zeitenwende“ zum Wort des Jahres 2022 erhoben werden wird. Wobei ein solcher Begriff weniger vorausschauend benutzt werden kann als dass die zeitdiagnostische Beschreibung eher rückblickend eine „Zeitenwende“ erkennen lässt. Dennoch ist der vom Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung im Februar genutzte Begriff darin einsichtig, dass sich manche bisherige Erkenntnis und verlässliche Weltinterpretation als ad absurdum erwiesen hat. Die bisherige Weichenstellung, die ein „Weiter so“ suggerierte, die führt an sich in eine klimatische Katastrophe und unter den neuen Vorzeichen des Krieges in Europa zerbröselt die liebgewonnene Zuversicht auf ein friedvolles Miteinander auf alle Zeiten hin.

Biblisch hat es immer wieder Krisenszenarien, durchaus mit existentiell bedrohlichen Erscheinungen gegeben, in die die Menschen gestellt waren. Die Propheten drohten mit bzw. weissagten „Zeitenwenden“ für die Menschen. Selbst der letzte der biblischen Propheten, nämlich Johannes, der Täufer, kündigt mit drastischen Worten eine notwendige Zeitenwende an: Ändert euer Leben! Denn das Himmelreich kommt jetzt den Menschen nahe! (Matthäus 3,2). Und das ist keineswegs eine positive Vorausschau, sondern eine, die das Gericht ankündigt und damit eine Perspektive auf das Ende hin wirft. Zugleich geben aber sowohl Johannes als auch die anderen Propheten den Hinweis auf eine neue Blickrichtung, die die Rettung bedeuten kann. Diese Schlüsselbegriffe sind Umkehr und Hoffnung.

Die Umkehr setzt den Moment der Erkenntnis und der Buße voraus, wie Johannes sie klar benennt. Erkennen, dass man auf einem falschen, in die Irre führenden Pfad unterwegs ist und sich und sein Leben neu ausrichten muss. Insofern bedeutet die Umkehr zugleich eine Hinkehr. Eine Hinkehr hin zu Gott und zu Jesus Christus. Das Annehmen eines neuen Weges.

Dieser neue Weg ist getragen von einer Hoffnung. Hoffnung meint dabei nicht eine Vertröstung auf ein Zukünftiges, das noch in weiter Ferne ist und somit leer für das Heute ist. In der Auferstehung von Jesus Christus ist die Hoffnung zu einer Gewissheit geworden, dass das Unmögliche möglich geworden ist.

Biblische Zeitenwenden sind immer getragen von der Erfahrung, dass im Glauben an Gott Dinge möglich sind, die jenseits unserer Erwartung liegen. Man mag es als „Wunder“ bezeichnen wollen oder als „Gotteszeichen“. Aber sie sind mehr als das. Sie sind der Anbruch einer neuen Wirklichkeit, in die wir gestellt sind. Die Umkehr zur Hoffnung garantiert nicht, dass das Leben einfacher oder undramatischer wird. Aber sie zeigt einen Weg auf, um inmitten der Zeitenwende bestehen zu können. Und damit wird sie in der Gewissheit des Glaubens zu dem tragfähigen Fundament unseres Lebens. Und in dieser Fundamentierung stehen wir auch in allen „Zeitenwenden“ fest und gewiss.

» Pfarrer Martin Winterberg