Aber das kann doch nicht stimmen, was da auf dem Bild zu sehen ist. Es heißt doch entweder: RETTE SICH WER KANN oder aber BETTE SICH WIE ER KANN. Das Schild macht mich nachdenklich.
Es sieht aus wie die hintergrundbeleuchteten Hinweisschilder, die man an den Schaufenstern von Trinkhallen sehen kann oder in öffentlichen Räumen, die auf besondere Veranstaltungen hinweisen. Ein kurzfristiger Wechsel der Buchstaben ist immer möglich, und schon kann der Hinweis auf etwas anderes aufleuchten. Aber doch ist es kein Buchstabendreher oder eine fehlerhafte Bestückung, sondern es ist eine bewusste Aussage, die Friederike Huft hier formuliert hat. Und genau dieses lässt mich zum einen stutzen, regt mich zum anderen aber an. Denn die mir geläufigen Redewendungen werden hier verkehrt und bekommen eine neue Bedeutung. Wenn sie aus ihrem gewussten Kontext herausgezogen werden, so bekommen sei eine neue Relevanz und Tiefe. Und damit eröffnen sich neue Welten.
Kann das BETEN zu einer RETTUNG werden in unserem Heute mit seinen vielen Krisen und Überforderungen? Könnte sich das EINBETTEN in sich selber oder in den Glauben zu einem Weg aus der Unwegsamkeit unserer Welt führen?
Das wäre der Verkündigungsmoment, den diese Schrifttafel für mich beinhaltet. Der Stachel, der mich löcken würde, nein, der mich löckt: Kann mir das GEBET zu Gott helfen, um meinem Leben eine neue Sicherheit geben zu können?
Oder weiter gefragt: Wird das BETEN meine RETTUNG sein? Dabei fällt mir der altbekannte Spruch ein, der eine Lebensweisheit ausspricht, den die meisten zumindest vom Wortlaut her kennen: Not lehrt beten. Die Erfahrung derjenigen spiegelt sich darin wider, die in schweren persönlichen oder gesellschaftlichen Verwerfungen sich daran erinnern, dass das Gebet zu Gott einem Hilfe und Halt sein kann. Und die dann beginnen, die Hände zu falten und, oftmals stammelnd, Gott anrufen. Ob es dann freie Gebete sind, die in ihren Worten das je eigene Anliegen aufnehmen oder aber festformulierte Psalmworte oder das Vater Unser sind, das ist fast schon einerlei. Hauptsache es erreicht Gott.
Damit fragt sich aber zugleich, ob es denn noch bei den Menschen präsent ist, dass das Gebet als „Reden mit Gott“ eine Hilfe und eine Lebensleitplanke sein kann. Was Kinder dereinst zuhause noch lernten, das ist in heutiger Zeit oftmals nicht mehr präsent. Der Traditionsabbruch spiegelt sich auch in der geübten bzw. nicht mehr geübten Gebetspraxis wider. Demgegenüber steht die Aufforderung des Apostel Paulus, der es im Epheserbrief (6,18) wie folgt beschreibt: „Betet stets in allem Anliegen mit Bitten und Fle hen im Geist.” Denn das ist unsere christliche Gewissheit, dass wir alles das, was uns bewegt, vor Gott bringen können. Er hört unser Gebet und er antwortet. Auch wenn die Antwort nicht immer nach unserem Geschmack sein sollte und vielleicht sogar eine Nicht-Antwort seine Antwort ist, so dürfen wir doch gewiss sein, dass es bei Gott seinen Resonanzraum finden wird.
Und somit gilt es im vielfachen Sinne: Bettet Euch im Gebet bei Gott ein und seid Euch sicher, dass er Eure Rettung ist – BETE SICH WER KANN.
So angeregt wird dieses „Hinweisschild“ von Friederike Huft ab dem 13. August für vier Wochen über der Kanzel unserer Salvatorkirche schweben. Es ist eines der Kunstwerke von Künstlern und Künstlerinnen des Duisburger Künstlerbundes, der in diesem Jahr sein 100-jähriges Bestehen feiert. Unter dem Stichwort „Bekenntnis Kunst“ nutzen sie u.a. unseren Raum, um Gottesdienste und unter der Woche die Kirchenbesucher anzuregen, sich ihre Gedanken zu ihren Werken zu machen.